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Gendermedizin: das Geschlecht macht einen Unterschied.

6. April 2022

Gendermedizin: das Geschlecht macht einen Unterschied.

Damit keine Frau mehr sterben muss, nur weil sie kein Mann ist.
Gendermedizin muss zur Norm werden.

Frauen sind durch wirtschaftliche und soziale Krisen, wie sich auch in der aktuellen Pandemie zeigt, hinsichtlich finanzieller, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Faktoren stärker als Männer betroffen.
Diskriminierung auf Rezept: Auch in hochentwickelten und modernen Gesundheitssystemen wie dem Österreichischen werden Krankheiten bei Frauen oft spät oder gar falsch diagnostiziert, Schmerzen und andere Beschwerden nicht ernst genommen!
Der Grund dafür: Medizinische Forschung und somit auch unser Wissen über Krankheiten orientieren sich stark am männlichen Körper.

Die SPÖ Frauen Oberösterreich wollen gemeinsam mit Mireille Ngosso, Ärztin und Abgeordnete zum Wiener Landtag und Gemeinderat und der Bundesfrauenvorsitzenden und Nationalratsabgeordneten Eva-Maria Holzleitner hier ansetzen, um das Thema Gendermedizin auch in Oberösterreich zu beleuchten und unsere Visionen und Forderungen für eine bessere und weiblichere Zukunft auch im Bereich der Gesundheit vorzustellen. „Keine Frau soll leiden oder gar sterben, nur weil Symptome nicht ernst genommen oder Krankheiten falsch diagnostiziert wurden!“ fordert Landtagsabgeordnete und Landesfrauenvorsitzende Renate Heitz.

Gendermedizin – geschlechterspezifische Forschung in der Medizin

Gendermedizin bedeutet geschlechtersensible Medizin. Sie untersucht wissenschaftliche Erkenntnisse, wie sich Frauen und Männer medizinisch unterscheiden und wie somit Erkrankungen medizinische Behandlung, Forschung und Prävention beeinflussen. Damit beiden Geschlechtern die bestmögliche Gesundheitsversorgung ermöglicht werden kann.

Der Begriff Gendermedizin ist von einigen Missverständnissen und auch Auslassungen bzw. Ungenauigkeiten geprägt. Es geht nicht nur darum, wie gesund ein bestimmtes Geschlecht ist, wie lange z.B. Frauen im Vergleich zu Männern leben, sondern darum, wie der weibliche Körper im Bereich der medizinischen Forschung vorkommt, wie ernst Schmerzen genommen werden, wenn sie von Frauen geäußert werden, wie unterschiedlich sich die Verabreichung von Schmerzmitteln oder anderen Pharmazeutika gestaltet, oder wie sich z.B. ein Herzinfarkt bei Frauen und Männern unterschiedlich zeigt. „Das Männliche wird zur menschlichen Norm und bildet die Grundlage für Forschung, Behandlung und Therapiemöglichkeiten und das kann für Frauen schwerwiegende Folgen haben. Für eine bestmögliche Gesundheitsversorgung muss sich die Medizin auf die spezifischen Bedürfnisse von Frauen ausrichten. Sowohl im Medizinstudium als auch in der Forschung muss Gendermedizin zum Schwerpunktthema werden“, fordert die Expertin Dr.in Mireille Ngosso.

Wie kann Gendermedizin Leben retten?
Beispiele Symptome: Herzinfarkt

Herzinfarkte können sich z.B. bei Frauen durch unspezifische Symptome äußern, wodurch er erst gar nicht oder oft zu spät erkannt wird. Laut einer Schweizer Studie werden Frauen im Durchschnitt wertvolle 45 Minuten später als Männer in die Klinik eingeliefert. Bei Herzinfarkten dauert es bei Männern im Durchschnitt drei Stunden, bis sie ins Krankenhaus kommen, bei Frauen sind es mind. eine halbe Stunde mehr. Das führt dazu, dass sie dann bereits in einem schlechten Zustand sind, später auf dem OP-Tischlanden und im Fall der Fälle länger auf der Intensivstation liegen.

Gendermedizin geht alle etwas an, nicht nur uns Frauen. Lange sind die weiblichen Symptome eines Herzinfarktes nicht als solche erkannt worden, Frauen sind in weiterer Folge bis in die achtziger Jahre an einem unbehandelten Herzinfarkt gestorben. „Frauen haben schlichtweg bei vielen Krankheiten andere Symptome als Männer und genau hier setzt die Gendermedizin an und berücksichtigt die Bedeutung des Geschlechts über die Biologie“, so Ngosso .
Sabine Oertelt-Prigione, Professorin für geschlechtersensible Medizin an der Universität Bielefeld und der niederländischen Radboud-Universität hat erklärt, warum die Medizin erst vor ca. zwei Jahrzehnten begonnen hat, auf die Unterschiede zwischen Frauen und Männerkörpern zu achten: „Weil erst Frauen sterben mussten. Und man(n) bis Ende der 1990er Jahre dachte, junge Frauen könnten keine Herzinfarkte bekommen und heute weiß man, dass Frauen öfter daran sterben als Männer.“

Soziokulturelle Aspekte / Soziale Aspekte

Hinzu kommen gesellschaftsbedingte Faktoren. So waren und sind Frauen in unserer Gesellschaft dem Mann nicht gleichgestellt. Viele Hürden sind auch heute noch sichtbar. Im 19. Jahrhundert war die Frau für Haushalt und Kinder zuständig, arbeitete aus „Liebe“ und der Mann verdiente das Geld. Auch die Medizin machte da keine Ausnahme. Es braucht neben der Forschung auch soziale Aspekte wie die Entlastung durch Kinderbetreuung und die faire Aufteilung der unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männer. Ziel der Gendermedizin ist die gerechte Behandlung von Mann und Frau, so dass jeder Mensch die medizinische Versorgung bekommt, die er geschlechtsspezifisch benötigt – von sozialen Aspekten, Vorsorge über Diagnose, Symptome und Krankheitsverlauf bis hin zur Therapie.

Eine weitere Krankheit, die nicht nur sehr jung, sondern auch in Punkto Gendermedizin relevant ist, ist Long-Covid.

Beispiel: Long Covid – betroffen sind vor allem Frauen

Was ist Long Covid? Ca. 10 Prozent leiden auch noch monate- bis jahrelang an den Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung. Dazu zählen rasche Erschöpfung und eine um bis zu 80 Prozent verringerte körperliche Leistungsfähigkeit, wodurch bereits die Alltagsbewältigung zur Herausforderung wird. „Vor gut einem Monat waren es ca. 200.000 Menschen, die von der Krankheit betroffen sind und es werden laufend mehr. Aber das Problem wird Großteils ignoriert“ beklagt Eva-Maria Holzleitner. Für die SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende und Nationalratsabgeordnete ist die Situation dramatisch, denn es sind vor allem Frauen und Kinder gefährdet. Laut Studien hätten Männer nämlich ein zwischen 35 und 55 Prozent geringeres Risiko, an Long Covid zu erkranken. Daher müsse man bei der Bekämpfung der Krankheit auch den gender-medizinischen Aspekt im Auge behalten, beklagt Holzleitner.

Aktuell gibt es einzelne Studien von Kliniken und private Initiativen zum Thema Long-Covid – ein koordinierter, interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt fehlt jedoch. Außerdem braucht es dringend eine Verbesserung der Datenlage zu Long-Covid, sowie einen gender-medizinischen Aspekt zur Bekämpfung der Langzeitfolgen einer Covid-Infektion, fordert die Bundesfrauenvorsitzende.

Dieser Forschungsschwerpunkte ist wichtig, um einerseits die Erkrankung bestmöglich zu kennen, um darauf vorbereitet zu sein beziehungsweise um den Betroffenen Perspektiven durch unmittelbare, korrekte Behandlung geben zu können.

Deshalb muss seitens des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung ein Fokus auf dieses neuartige Thema gelegt und entsprechend Fördermittel zur Verfügung gestellt werden.

Frauen werden nicht ernst genommen

So wie es unterschiedliche Symptome zwischen Frauen und Männer gibt, gibt es auch „typische“ Frauenerkrankungen, wie zum Beispiel Endometriose. „Es wird vermittelt, Schmerzen während der Regelblutung seien einerseits völlig normal, andererseits wird suggeriert, man übertreibe“, erwähnt SPÖ-Landesfrauenvorsitzende Renate Heitz. „Ich selbst habe als Betroffene von Endometriose erlebt, dass Frauen in ihren Symptomen nicht ernst genommen werden. Das hängt auch mit der Tabuisierung weiblicher Sexualität zusammen.“

Das zeigt ein völlig veraltetes Frauenbild, welches Frauen und ihre Empfindungen einerseits kleinredet, im gleichen Atemzug aber paradoxerweise überhöht, indem man ihnen eine höhere Schmerzgrenze attestiert. Starke Schmerzen im Unterleid, wuchernde Zysten bis hin zu entzündeten Organen sind Teil dieser Krankheit, die man zwar nicht heilen, aber behandeln kann. Doch um sie behandeln zu können, braucht es erst eine Diagnose. Studien zeigen, dass ca. 10 bis 15 Prozent aller gebärfähigen Frauen darunter leiden. Weil Endometriose aber häufig nicht erkannt wird, bleibt die Dunkelziffer sehr hoch. Eine Studie in Neuseeland deutet darauf hin, dass Aufklärung im Schulalter dabei hilft, die Zeitspanne zwischen ersten Symptomen und Diagnose zu verkürzen. Im Zuge dieses Programmes (Menstrual Health and Endometriosis Education Programs) lernen Schülerinnen, welche Symptome ein Hinweis auf eine Endometriose Erkrankung sein könnten. „Solche Programme wären auch in Österreich hilfreich, um die Erkrankung tausender Frauen früher zu erkennen, zu behandeln und ihr Leiden zu verkürzen. Aufklärung und mehr Forschung über eine der meistverbreiteten Frauenkrankheiten sollte im Interesse aller sein“, betont Heitz.

 Die Recherchen haben uns auch noch einmal verdeutlicht, dass das Thema „Gendermedizin“ in der Oö. Landespolitik bis dato kaum an Bedeutung hatte. Es gibt zwar das Programm Frauen.Leben.2030, welches Landesrätin Birgit Gerstorfer, damals in den 9 Monaten als sie Frauenlandesrätin war ins Leben gerufen hat. Auch darin befinden sich Forderungen und Ziele im Bereich Gesundheit. Doch dieses Programm liegt derzeit in einer Schublade und auch die Evaluierung mit LH-Stv.in Haberlander erst vor wenigen Wochen hat gezeigt, dass wir diese Ziele bis 2030 nie erreichen werden.

„Klar ist, dass wir hier noch ganz am Anfang stehen und Oberösterreich sowie in vielen anderen Bereichen zurückliegt“ betont Heitz. Denn Kärnten wird ein ärztliches Genderdiplom finanzieren, die Weiterbildung und Implementierung in Ausbildung von Pflegeberufen forcieren und Salzburg zeigt setzt auch Schwerpunkte in geschlechterspezifische Medizin.

„Ziel der Gendermedizin ist die gerechte Behandlung von Mann und Frau, so dass jeder Mensch die medizinische Versorgung bekommt, die er oder sie geschlechtsspezifisch benötigt – von sozialen Aspekten, Vorsorge über Diagnose, Symptome und Krankheitsverlauf bis hin zur Therapie. Geschlechterspezifische Forschung ist dringend notwendig, denn dadurch ist eine verbesserte Gesundheitsförderung, Prävention und Krankheitsbehandlung für beide Geschlechter möglich“, sind sich die drei Abgeordneten einig.

Wir fordern deshalb

  1. LH-Stv.in Christine Haberlander als Gesundheits- und Frauenreferentin auf, sich dem Thema Gendermedizin anzunehmen, an die Bundesregierung mit der Forderung heranzutreten, mit Expertinnen und Experten für Gender Medizin Vorschläge zu erarbeiten, die Gender Medizin in der Aus-, Fort- und Weiterbildung in den medizinischen Berufen gewährleisten.
  2. Gendermedizin soll künftig ein fester Bestandteil medizinischer Ausbildung sein. Sämtliche medizinische Lehrbücher müssen genderspezifische Unterschiede der Symptomatik von Krankheiten thematisieren und es braucht auch die Einrichtung eines verpflichtenden Lehrstuhls in OÖ (Bsp. Wien und Innsbruck).
  3. die Umsetzung des bundesweiten Aktionsplan Frauengesundheit. Dieser umfasst etwa 40 Maßnahmen, die Frauengesundheit auf unterschiedlichen Ebenen fördern sollen.

Rückfragehinweis:
Laura Wiednig
+43 664 88461689

Credit: MecGreenie Production

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