Offener Brief von Birgit Gerstorfer an die Frauen
Offener Brief von Landesrätin Birgit Gerstorfer, der Vorsitzenden der SPÖ Oberösterreich, an die Frauen:
Liebe Frauen,
Frauen wählen anders als Männer. So hätten die Frauen im Jahr 2000 eine rot/grüne Koalition gewählt, bekommen haben wir eine schwarz/blaue. Umgekehrt ist es ähnlich. Wären im Dezember 2016 nur Männer zur Wahlurne gegangen, wäre heute Norbert Hofer Bundespräsident.
Nun stellt sich also die Frage, für wen werden sich wohl dieses Mal die 3,3 Millionen Frauen, die Mehrheit der Wahlberechtigten, entscheiden?
Sora-Chef Hofinger hat zum Wahlverhalten von Frauen zwei Erklärungen: Frauen mögen aggressives Verhalten der Politiker nicht so sehr und zudem haben Frauen ein höheres Interesse an einem starken Sozialstaat, da sie strukturell benachteiligt sind.
Nun wäre es wohl naheliegend, die Wahlprogramme der antretenden Parteien zu vergleichen.
Beginnen wir mit den Türkisen. Ihnen ist das Thema Frauen im ersten Teil des Wahlprogramms von 121 Seiten genau 93 Wörter wert – illustriert mit Stöckelschuh, Tablet, Lippenstift, Gurke, Babyflascherl und Füllfeder – inhaltsleer. Für fast alle anderen Themen gibt es Maßnahmen – für die Frauenthemen nicht!
Bei den Blauen sieht es etwas besser aus, immerhin sind wir Frauen schon 350 Wörter inklusive der vier Forderungen wert. Dabei geht es um das Schließen der Einkommensschere, tatsächlicher Gleichberechtigung statt heuchlerischer Gleichmacherei, medizinische und soziale Beratung vor geplanten Schwangerschaftsabbrüchen und Nulltoleranz gegenüber jeder Form von Gewalt und Unterdrückung von Frauen und Kindern.
Somit stellt sich die Frage: Können die Männer der FPÖ und ÖVP Frauenpolitik? Tendenziell möchte ich sagen: NEIN. Vielleicht braucht es auch eine persönliche Wahrnehmung über die Sorgen, die uns plagen. Vielleicht muss man erlebt haben, welche Schwierigkeiten man hat, wenn keine Betreuungseinrichtung da ist und man doch arbeiten gehen möchte. Vielleicht muss man am eigenen Leib wahrnehmen, dass man keine beruflichen Karrierechancen hat, wenn man jahrelang teilzeitbeschäftigt war. Vielleicht muss man Altersarmut fühlen, wenn man längere Beschäftigungspausen und Teilzeitphasen hatte.
Dass Herr Kurz hier wenig Erfahrung hat, ist unumstritten. Wie könnte man sonst auf die Idee kommen, dass der Ex-Mann den Kinderbonus (den die ÖVP fordert) an die Alleinerzieherin und Ex-Frau überweisen soll. Er hat vermutlich nicht gewusst, dass 50.000 Frauen ihre Unterhalts- und Alimentationsansprüche einklagen.
Vielleicht wäre es doch angebracht, darüber nachzudenken, dass ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung vielen Frauen helfen könnte. Das finden Sie zum Beispiel neben vielen Forderungen im Programm der SPÖ.
Da finden Sie auch das Recht auf einen Papamonat bei voller Entgeltfortzahlung, die Unterhaltsgarantie für Kinder, die Abschaffung der Anrechnung des Partnereinkommens bei Notstandshilfebezug, den Ausbau der Gewaltschutzeinrichtungen, den Mindestlohn von 1.500 Euro brutto für Vollzeit (Hinweis für die meisten Männer: ja das gibt es!), ein klares Bekenntnis zur Frauenquote auch in der Privatwirtschaft, aber auch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die höhere Ausgleichszulage der Pensionistinnen.
Liebe Frauen, Töchter, Mütter, Großmütter, Feministinnen, Alleinerzieherinnen! Welcher Gruppe ihr euch immer dazugehörig fühlt und darüber hinaus!
Schaut euch die Wahlprogramme an und denkt nach, wer Politik für euch macht! Eine Politik der Gleichstellung, eine Politik der Gleichberechtigung, eine Politik für ein leichteres Sein, ein leichteres Tun und eine Politik für eine offene Gesellschaft, in der Frauen eine wichtige Aufgabe haben, nämlich Rahmenbedingungen für die Kinder und Enkelkinder zu schaffen, die diesen ein besseres Leben ermöglichen! Dazu braucht es sozialdemokratische Politik!
Birgit Gerstorfer, Landesparteivorsitzende der SPÖ OÖ